Jetzt spielt das keine Rolle

05:11:00






Wir alle haben diese Tage, an denen wir uns lieber ins Bett verkrümeln würden als uns der Öffentlichkeit zu präsentieren. Diese Tage wo wir unseren Kopf in den Sand stecken wollen, weil gar nichts klappen will. Weil wir uns selbst und nicht nur anderen im Weg stehen. Es gibt auch Tage an denen wir uns in unserer Haut nicht wohl fühlen. An denen wir den Blicken der Passanten ausweichen. Den Kopf in der Straßenbahn senken. Wir der netten Dame an der Kasse von Dm keinen schönen Tag wünschen, obwohl sie es verdient hat. 

Dann sitzen wir im Zug, nachdem wir durch die Menschenmassen gehastet sind, die Kopfhörer in den Ohren und die Musik auf laut. Wollen nix mehr mitkriegen. Abschalten. Endlich nach Hause. Wir starren durch die Fensterscheibe. Welche uns von der Welt außerhalb des Zugs trennt. Für eine halbe Stunde gibt es nur uns, die Musik und unsere Gedanken. Abgesehen von den anderen Passagieren, aber die kümmern uns wenig. Meistens sind sie selber viel zu beschäftigt um mitzubekommen, was um sie herum passiert. Sie hüten Kinder. Haben den Laptop auf den Beinen. Telefonieren. Oder sind in einem lautstarkem Gespräch mit alten Bekannten oder Arbeitskollegen vertieft. Das übliche Bild was uns geboten wird. Zumindest für die unter uns die 5 Tage in der Woche zwischen Wohn- und Arbeitsort pendeln müssen. 

Ich lasse mich jedesmal aufs Neue an einem solchen Tag förmlich auf den Sitz fallen. Gleichzeitig fallen sämtliche Lasten von mir ab. Für einen klitzekleinen Moment kann ich meine Maske fallen lassen. Noch bin ich allein im Zugabteil. Noch sieht mich keiner. Jetzt brauche ich nicht kerzengerade dasitzen. Die Beine überschlagen. Jetzt spielt das keine Rolle. Ich brauche mich nicht verstellen. Den Kopf senken. Blicken ausweichen. Ein Lächeln aufsetzen. Ich brauche mir in diesem Moment nicht den Kopf darüber zerbrechen, was ich noch zu erledigen habe. Wie mich andere wahrnehmen. Jetzt spielt das keine Rolle. Abschalten. Vergessen. Nicht nachdenken. Genießen? Eine halbe Stunde kann uns so lang aber auch viel zu kurz erscheinen. Aber in dieser halben Stunde muss nichts klappen. Nichts nach Plan laufen. Ich muss nicht funktionieren. Oder To-Do Listen abhaken. Ich stehe keinem im Weg. Am wenigsten mir selbst. Für einen kleinen Moment. Jetzt spielt all das keine Rolle. Für eine halbe Stunde gibt es nur mich, die Musik und meine Gedanken. Gedanken die mal nichts mit Arbeit, Schule oder To-Do Listen zu tun haben. Gedanken für die meist keine Zeit bleibt. Doch jetzt spielt alles andere keine Rolle. Jetzt heißt es Luft holen. Fallen lassen. Für einen Moment wieder ich sein. Und wenn Leute zusteigen. Sich auf den freien Plätzen niederlassen. So wende ich mich ab. Schaue aus dem Fenster. Will für mich sein. Für diese halbe Stunde. Bis ich aussteigen muss. In eine Welt die mich manchmal noch überfordert. Schaue weiter aus dem Fenster. Sehe all die Kulissen an mir vorbei ziehen. So kann es bleiben. Jetzt spielt das keine Rolle. 



Bildquelle: pixabay

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